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Dom-Orgeln

Geschichte der Dom-Orgeln

 | 1281 | Gründung einer Kantorei durch Bischof Konrad
 | 1304 | Dotations-Urkunde für Organistenamt, Vikar soll „Gesang mit der Orgel begleiten können“
 | 1472 | Dotation für den Organisten der "kleinen Orgel"
 | 1487 | erste genaue Datierung eines Orgelbaus durch Andreas Smedeker, aber keine weiteren
                 Einzelheiten
 | 1582 | erneuter Neubau durch Didrich Hoyer, Schwiegersohn von Jacob Scherer
 | 1641 | erste Beschreibung der Renaissance-Orgel durch OB Adolf Compenius; Compenius beginnt
                 mit Reparaturarbeiten, muss diese aber wegen der Kriegswirren abbrechen
 | 1660 | nach Drängen des Organisten Freese bei der schwedischen Regierung Reparatur durch OB
                 Hermann Kröger (Nienburg)
 | 1692 | Stader Behörden fordern von Arp Schnitger ein Gutachten; der schwedische
                 Generalgouverneur ist damit nicht zufrieden und schickt Vincent Lübeck nach Verden;
                 Schnitger führt Reparatur- und Erweiterungsarbeiten durch
 | 1694 | V. Lübecks Abnahmebericht vom 15. April
 | 1712 | Acht neue Ständer zur Stabilisierung der Schwalbennest-Orgel; weitere Pflege durch den
                 Verdener OB Christian Solter; in den Folgejahren viele Reparaturen durch verschiedene
                 Orgelbauer; bereits um 1800 Pläne für Neubau
 | 1830 | Umfassende Domsanierung; Versetzen der Orgel durch den Verdener OB Peter Tappe auf die
                 Westempore; Organist Georg Grabau beschreibt die Unzulänglichkeit der Orgel
 | 1833 | Vernichtendes Gutachten des Hannoverschen OB Meyer über die Arbeiten Tappes,
                 Baukommission entscheidet sich gegen einen Neubau, provisorische Instandhaltung durch
                 Tappe; Organist Grabau ist am Ende seiner Geduld
 | 1850 | Neubau OB Schulze (35/II) auf der Westempore; die Renaissance-Orgel bietet OB Schulze der
                 Kirchengemeinde Beverstedt an, die jedoch ablehnt (zu geringer Tastenumfang etc.), die alten
                 Pfeifen werden eingeschmolzen und nach Paulinzella geschickt
 | 1851 | Auf Drängen von Organist Georg Grabau richtet die Domstruktur ein Gesuch an die
                 Königliche Landdrostei in Stade um Anstellung eines zweiten Calcanten
 | 1914 | Gutachten von OB Pius Furtwängler zum sehr desolaten Zustand der Orgel
 | 1916 | Neubau durch Orgelbauanstalt Pius Furtwängler&Hammer (54/III)
 | 1968 | Neubau der neobarocken Orgel auf der Nordempore durch OB Hillebrand (43/III)
 | 1986 | Umfassende Reparatur der Romantischen Orgel
 | 2002 | Reparatur der Romantischen Orgel: u.a. Neubeledern der Taschen des zweiten Manuals
 | 2020 | Generalüberholung der Hillebrand-Orgel durch OB Hillebrand (Reinigung, Reparaturen,
                 Dispositionsänderungen, u.a. Ergänzung des Untersatz 32‘)

Die beiden großen Hauptorgeln

Die Grundsteinlegung des heutigen Domes geht zurück in das Jahr 1290 und erfolgte durch den Urenkel Herzog Heinrichs des Löwen, Bischof Konrad (1269-1300). Zwischenzeitlich knappe Finanzmittel verlängerten die Bauzeit, und so konnte erst 1490 durch den Bischof Barthold von Landesbergen (1470-1502) die feierliche Weihe erfolgen.

Die spärlich erhaltenen Quellen aus jener Zeit geben nur wenig Auskunft über die ersten Domorgeln. Jedoch muss zumindest im Jahre 1304 bereits eine erste Orgel existiert haben. Einem aus dem Jahre 1472 stammenden Testament können wir entnehmen, dass es bereits im 15. Jahrhundert zwei Instrumente im Dom gab.

Für das Jahr 1487 ist der Bau einer Orgel durch Andreas Smedeker belegt. Bereits 1582 erfolgte ein Neubau durch den Hamburger Orgelbaumeister Didrich Hoyer, Schwiegersohn von Jacob Scherer. Die frühere Annahme, dieser Neubau sei von Andreas de Mare ausgeführt worden, hat sich inzwischen als falsch erwiesen. (Für diesen Hinweis danke ich Herrn Winfried Topp, Langwedel.) Diese Renaissance-Orgel hing als Schwalbennest an der Nordwand der Vierung und verfügte über 22 Register auf zwei Manualen und Pedal.

In den Jahren 1692 bzw. 1693 berichteten Arp Schnitger und Vincent Lübeck vom „gar erbärmlichen Zustand” der Orgel, worauf Schnitger von der schwedischen Regierung den Auftrag zur Reparatur der Orgel erhielt. Im Frühjahr 1696 beendete Schnitger deren Instandsetzung und teilweisen Umbau.

1830 wurde dieses Instrument im Zuge der großen, umfassenden Restaurierung des Domes durch den Verdener Orgelbauer Peter Tappe auf die Westempore versetzt. Dort sorgten der ungünstige Aufstellungsort vor der offenen Turmhalle für Verstimmungen der Pfeifen und vielerlei Funktionsstörungen, außerdem war das Instrument zu klein, um den großen Raum von der Westwand her klanglich befriedigend zu füllen.

So erfolgte schon im Jahre 1850 durch den Orgelbauer Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella in Thüringen der Neubau einer Orgel auf der Westempore mit 35 Registern auf 2 Manualen und Pedal, darunter zwei 32’-Register.

Doch auch dieses Instrument wurde als zu klein für den großen Raum empfunden. Zahlreiche Reparaturen waren erforderlich, um die Spielbarkeit der Orgel zu erhalten, die Organisten klagten über die schwere Spielart der mechanischen Traktur.

1916, mitten im ersten Weltkrieg, errichtete die Orgelbauwerkstatt Furtwängler & Hammer aus Hannover eine dreimanualige Orgel mit pneumatischer Register- und Spieltraktur. Der stumme Schulze-Prospekt blieb stehen, das gesamte Pfeifenmaterial der Schulze-Orgel (samt der zwei 32’-Register) jedoch verschwand.

Nicht selten wurden in den folgenden Jahrzehnten romantische Instrumente umgebaut, d.h. barockisiert, wodurch sie im eigentlichen Sinne aber ihrer wahren Identität beraubt wurden. Eine solche Maßnahme blieb der Furtwängler&Hammer-Orgel im Verdener Dom glücklicherweise erspart.

Nach jahrelangen Bemühungen kam es 1968 zum Bau einer zweiten großen, dreimanualigen Orgel mit 43 Registern auf 3 Manualen und Pedal mit mechanischer Spiel- und Registertraktur nach historischen Vorbildern auf der Nordempore der Vierung durch die Orgelbaufirma Hillebrand aus Altwarmbüchen bei Hannover. Damit erhielt der Dom wieder ein Instrument für die Wiedergabe der alten Musik bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts bzw. daran angelehnter zeitgenössischer Werke von Komponisten wie z.B. Pepping, Distler, Bornefeld, Micheelsen, Reda, Kluge und Zipp. Mit dem Standort an der alten, über Jahrhunderte angestammten Stelle in der Nähe zu Vierung, Chorraum und Altar ist insbesondere auch die liturgische Funktion dieser Orgel bei den Gottesdiensten und Kasualien verbunden. In den Jahren 2019-2020 wurde das Instrument durch die Orgelbaufirma Martin Hillebrand umfassend renoviert und geringfügig erweitert.

1986 konnte, dank der Initiative des eigens gegründeten Orgelbauvereins, die historische, spätromantische, inzwischen technisch ziemlich desolate Orgel auf der Westempore wieder instandgesetzt werden, hatte man doch inzwischen erkannt, welche Bedeutung dieses große und glücklicherweise unverändert erhalten gebliebene Instrument für die Wiedergabe der Musik der Jahrhundertwende und darüber hinaus bekommen hatte. Authentische Instrumente erschließen dem Spieler wie dem Hörer die Musik der jeweiligen Zeit in ganz besonderer Weise. Die Interpretationspraxis der Orgelwerke Max Regers zum Beispiel lässt sich befriedigend nur an einer solchen Orgel studieren und realisieren.